GLAUBHAFTIGKEITSGUTACHTEN: GEGENSTAND
Gegenstand der psychologischen Aussagebegutachtung ist nicht die allgemeine Glaubwürdigkeit als persönliche Eigenschaft des Untersuchten, sondern die Beurteilung, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben des Untersuchten einem tatsächlichen Erleben von ihm entsprechen. Die aussagepsychologische Begutachtung von kindlichen und jugendlichen, aber auch erwachsenen Zeugen insbesondere im Fall des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs erfolgt hypothesengeleitet auf der Basis des BGH-Urteils vom 30.07.1999.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist zunächst die Annahme, dass die Aussage unwahr sei, d.h. nicht auf tatsächlichen Erlebnissen des Untersuchten beruht (sog. „Nullhypothese“). Von den sog. Anknüpfungstatsachen, d.h. bislang vorliegenden Informationen, ausgehend, werden verschiedene Hypothesen gebildet, wie die Aussage möglicherweise zustande gekommen sein könnte, falls sie nicht auf tatsächlichen eigenen Erlebnissen des Untersuchten beruht. Das Zutreffen dieser sog. „Unwahr“-Hypothesen wird dann durch Erhebung von Fakten geprüft, insbesondere durch die Merkmalsorientierte Inhaltsanalyse der in der Exploration erfassten Aussage des Untersuchten in Hinblick auf das Vorhandensein sog. Realkennzeichen (Steller & Köhnken, 1989; Greuel et al., 1998).